Liv Kaeding (Q1aF)

Im Zuge des Themas „Grenzüberschreitungen – Johann Wolfgang von Goethe“ entstand bei Frau Peters im Deutschunterricht der Klasse Q1aF die folgende Satire:

Haben Sie Goethes Faust gelesen? Das ist wahrhaftig eine Gretchenfrage. Sie haben diese Anspielung nicht verstanden? Dann herzlichen Glückwunsch, denn Sie gehören offiziell zu den Nicht-Faust-Lesern. In Deutschland nehmen rund 30% aller Schüler dieses Werk im Schulunterricht durch.

Also: Haben Sie dieses Stück deutscher Literaturgeschichte tatsächlich nicht gelesen oder hat der Zahn der Zeit bloß jede Erinnerung daran gelöscht? Lehnen Sie sich zurück, treten Sie in Ihre imaginäre Rumpelkammer ein und durchwühlen Sie die Schubladen nach einem winzigen Erinnerungsfetzen an ein kleines gelbes Reclamheft mit dem Titel „Faust“. Es ist wirklich nichts da? Wenn sie das Wort „Faust“ hören, denken Sie an eine geballte Hand und nicht an einen älteren, gesprächigen Herrn? Tja, was soll man da bloß sagen, außer der teuflischen Wahrheit: Sie haben Faust wohl wirklich nicht gelesen.

Aber das ist kein Problem, wenn man in Betracht zieht, dass nicht alle Menschen nach dem Totalwissen streben können. Manchen Leuten reicht schlichtweg das Allgemeinwissen; wozu sollte man auch die kleinen, grauen Zellen mehr als nötig anstrengen? Vielleicht denken Sie gerade: „Allwissend bin ich nicht, doch viel ist mir bewusst!“ Zufrieden sein mit dem, was man hat, ist sicherlich manchmal die beste Lösung und erspart eine Menge Ärger; Faustleser wissen an dieser Stelle sicherlich, was ich damit meine.

Woran könnte es also liegen, dass Sie Faust nicht gelesen haben? Sie hatten zu wenig Zeit, die Tragödie ist zu lang oder Literatur liegt einfach nicht in Ihrem Interessengebiet? Vielleicht sind Ihre Fachgebiete Medizin, Jura, Philosophie oder sogar Theologie? Ausreden über Ausreden muss man an dieser Stelle wohl anmerken. So viele Seiten hat Faust sogar nicht, manche Kitschromane von Jojo Moyes sind dicker.

Trotzdem ist die Begeisterung, dieses Werk zu lesen, nicht besonders hoch. Man könnte fast eine Wette eingehen, dass Sie mehr als hundert Möglichkeiten gehabt hätten, um diesen Teil der Weltliteratur zu lesen. Letztendlich muss jeder selbst wissen, was er mit seiner Zeit anfängt. Manchmal wünscht man sich wie durch ein Wunder, einfach wieder jung zu werden, nicht wahr? Man könnte die große Liebe nochmal erleben, neue Abenteuer bestehen oder einen neuen Freund finden, aber hier schweife ich ab. Wie sagt man so schön? „Alt wird man wohl, wer aber klug?”

Aber vielleicht irre ich mich an dieser Stelle; vielleicht erkennen Sie schließlich, was die Erde im Innersten zusammenhält? Vermutlich habe ich Sie ganz falsch eingeschätzt. Wir alle machen Fehler im Leben, wobei manche gravierender als andere sind, ganz unausgesprochen von den Konsequenzen. Aber vermutlich bin ich einfach zu jung und naiv, um hinter die Fassade zu sehen. Hier fällt mir doch glatt wieder ein Sprichwort ein: „Es irrt der Mensch, solang’ er strebt.” Woher das bloß stammt?

Jetzt haben Sie bis hierhin diesen Text gelesen und haben nicht viel erreicht; das ist wirklich ein teuflisches Dilemma. Glauben Sie mir, der kann Ihnen ein Lied davon singen, oder fragen Sie ihn am besten nach verlorenen Wetten (Insiderwissen). Jedenfalls war es nie meine Absicht, über Sie zu richten, sondern ich werde Sie einfach weiter in Ihrem Kerker der Unwissenheit lassen. Da kommt mir doch glatt ein Zitat in den Sinn: „Da steh ich nun ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor.“ Bevor ich es vergesse: Wenn Sie einen schwarzen Pudel sehen, rennen Sie so schnell Sie können, so schnell, als wäre der Teufel hinter ihnen her!